1.12.4 Rotationsenergie

Wir lassen massiven Zylinder Z ( m = 200g) mit dem Radius R und der Länge L und anschließend einen gleich schweren Wagen W die um a geneigte Experimentierwippe herabrollen. In beiden Fällen wird vor der Drehung um a ein für das Experimentierobjekt passender Reibungsausgleich durchgeführt. An den t-s-Diagrammen in Abb. 1 ist erkennbar, dass der Wagen einen Weg s in kürzerer Zeit  zurücklegt als der Zylinder. Die Geschwindigkeiten am Ende des Weges erhalten wir nach v = 2·s / t (gleichförmig-beschleunigte Bewegung). t ist die Zeit zum Weg s.


 

Abb. 1

 

Aus den am Diagramm ablesbaren Werten folgt:

vZylinder / vWagen = (2· s/ tZ) / (2· s/ tW) = tW /t Z = 0,81

Diese Tatsache verleitet zu dem Schluss:      

EnergieZylinder / EnergieWagen = m·vz2 / m·vW2 = 0.812 = 0.6561  ≈ 2/3

 



Die Zylinderenergie erscheint um 1/3 kleiner zu sein als die kinetische Energie des Wagens. Dies steht im Widerspruch zum Energieerhaltungssatz, denn die kinetischen Energien werden beim Durchlauf gleicher Höhendifferenzen angenommen.

Verständlich wird diese Tatsache dann, wenn man bedenkt, dass der Zylinder durch zwei Bewegungsformen ausgezeichnet ist. Während sich der Schwerpunkt mit v bewegt (Translation), rotiert der Zylinder um eine durch den Schwerpunkt laufende Achse. Auf diese Rotation entfällt offensichtlich 1/3 der Gesamtenergie.

Die Rotationsenergie fällt als zusätzliche Energie dann auf, wenn man den rollenden Zylinder an einer durch seine Mitte geführte Achse von der Bahn abhebt und die Achse ruhig festhält. Der Zylinder rotiert nach diesem Bremsvorgang weiter.


Zur Berechnung der Rotationsenergie denken wir uns den Zylinder mit dem Radius R, der Masse m und der Breite B  in n  konzentrische, dünnwandige Hohlzylinder mit den Radien rk und den Wanddicken d = R/n eingeteilt (Bsp.: n = 500). Für die Rotationsenergie e eines solchen Hohlzylinders mit der Masse mk gilt:

 

 

 

Abb. 2



 

Abb. 3



e = mk · vk2/2;     vk = Geschwindigkeit eines Punktes auf dem Hohlzylinder

vk kann mit Hilfe der Winkelgeschwindigkeit ω berechnet werden.

vk = 2 ·π · rk / T ;     T = Umdrehungszeit

vk = (2 ·π  / T ) · rk

(2 ·π  / T ) ist die Winkelgeschwindigkeit ω

In der Zeit T dreht sich der Zylinder um den Winkel 2 ·π (Bogenmaß).

vk = ω · rk

e = mk ·(ω · rk)2 / 2  =  mk ·rk2 · ω2 /2

Wenn wir die Hohlzylinder mit den Zahlen von 1 bis n durchnummerieren, dann können wir für die gesamte Rotationsenergie schreiben: ERot = (m1·r12 + m2·r22 + m3·r32   ....................+ mn·rn2 ) · ω2 /2

J = (m1·r12 + m2·r22 + m3·r32   ....................+ mn·rn2 ) ist das  Trägheitsmoment J.

→      ERot = J·ω2 / 2

Für einen Zylinders mit der Masse m und dem Radius R gilt:  J = ½· m · R2

 Berechnung von  JZylinder:

E =  ½· m · R2 · ω2 / 2 = ¼ · m · R2 · ω2

 



R · ω ist gleich der Mittelpunktsgeschwindigkeit  v . Dies ist leicht einzusehen (siehe Abb.3), wenn man bedenkt, dass sich der Zylinder während einer Umdrehung um 2·π· R fortbewegt.

v = 2·π· R/T = (2·π/T) · R = ω · R

ERot = ¼ · m · v2

Dies entspricht den oben beschriebenen Versuchsergebnissen, nach denen die der Schwerpunktsbewegung zugeordnete Energie ET = m·v2 /2 doppelt so groß ist wie ERot, denn ERot ist 1/3 der Gesamtenergie.

Welchen Einfluss hat das Trägheitsmoment auf die Beschleunigung eines rollenden Gegenstandes ?

 

Abb. 4

 

 

Abb. 5



Wir denken uns einen zunächst ruhenden Zylinder Z der Masse m, der auf einer schiefen Ebene unter der Hangabtriebskraft F eine Strecke s hinabrollt (siehe Abb. 4).

Am Ende von s hat er die kinetische Energie F · s = m · v2 /2 + J ·ω2 / 2 .

Winkelgeschwindigkeit ω = v/R ( R: Radius des Zylinders)

→   F · s = v2 ·(m + J/R2 )/2

F · s = v2 ·(m + J/R2 )/2;   s = ½  · a · t2     

F ·½   · a · t2  = v2 ·(m + J/R2 )/2 ;   v = a·t

F ·½   · a · t2    = (a·t)2  ·(m + J/R2 )/2     →   F = a · (m + J/R2 )

Ein Vollzylinder hat das Trägheitsmoment  J = ½ · m · R2 .     →      F = ( 3/2) · m · a

Ist die schiefe Ebene um α geneigt, dann haben wir die Hangabtriebskraft F = m·g·sinα

→      m·g·sinα = (3/2) · m · a   →    a = (2/3) · g · sin α



Da die Summe aller auf den Zylinder einwirkenden Kräfte gleich dem Produkt m · a sein muss, wird mit F = 3/2 · m · a    > m · a  angezeigt, dass die Rollbahn der Hangabtriebskraft mit einer  Kraft FR entgegenwirkt (siehe Abb. 5).  FR ist für die Drehung maßgebend. Die Kraft FR  könnte man durch Glätten der Rollbahn vermindern und hätte dann eine Rutschbewegung.

F – FR = m· a     →     FR  = F – m· a

Unter Berücksichtigung von   F = a · (m + J/R2 )

folgt hieraus:         FR = J /R2 · a

Lässt man statt des Zylinders eine Eisenkugel eine schiefe Ebene hinabrollen, dann ist zu erfahren, dass 5/7 der Hangabtriebskraft F für die Beschleunigung des Kugelschwerpunkts maßgebend sind.

F ·5/7  =  m·a   →  F = (7/5) · m· a  =  m·a + (2/5) ·m · a   

(2/5) ·m · a  J /R2 · a    →    J/R2  = (2/5) ·m

→    JKugel = (2/5) · mKugel · R2

 

Berechnung von Jkugel:

Wichtige Anmerkung:

Der in 1.12.3  beschriebene Pendelkreisel ist zu einer eindrucksvollen Demonstration zum Thema „kinetischen Energie“ geeignet. Man schließt den Motor so lange an eine passende Stromquelle, bis der Zylinder eine Frequenz von ca. 100 Hz erreicht und verbindet dann die Anschlüsse des Motors mit einem Glühbirnchen. Dieses leuchtet dann ungefähr eine Minute lang.

Aufgaben