1.6.4.2 Reibungskräfte in einer Flüssigkeit

Abb.1

Die Reibungskraft eines gleitenden Körpers ist von dessen Geschwindigkeit unabhängig. Anders verhält es sich mit der von einer Flüssigkeit verursachten Reibungskraft. Zur Untersuchung der Flüssigkeitsreibung dient das in der Abb. 1 angedeutete Experiment

Auf der Experimentierwippe steht ein mit Motoröl gefüllter Zylinder. In ihm wird eine Eisenkugel an einem Faden gleichförmig herabgelassen.

Der Punkt A des hierbei aufgenommenen Diagramms kennzeichnet den Beginn der Bewegung. Die auf die Wippe wirkende Kraft wird um die Reibungskraft vergrößert. Der Punkt B ist der Berührung der Kugel mit dem Boden des Zylinders zuzuordnen. Die Reibungskraft sowie die Bewegungszeit werden durch die vertikalen- und horizontalen Abstände der beiden Punkte angezeigt. Lässt man die Kugel verschieden schnell von der Oberfläche des Öls bis zum Gefäßboden herab sinken, dann ist festzustellen, dass F ~ 1/t ist. Mit der doppelten Zeit ist die Reibungskraft nur noch halb so groß.

Somit gilt:

Die Reibungskraft F ist zur Kugelgeschwindigkeit v proportional.

F ~ v

Ebenfalls proportional zur Geschwindigkeit ist die Kraft, die ein durchlässiges Gewebe einer strömenden Flüssigkeit entgegensetzt. Zu dieser Einsicht gelangt man auf etwas indirekte Weise mit dem folgenden Experiment (siehe Abb. 2).

Abb. 2

An der freien Schmalseite der Experimentierplatte hängt ein Gefäß mit textilem Boden. Aus diesem Gefäß läuft Wasser aus, wobei der Rechner das nebenstehende Diagramm aufzeichnet. Wie an dem Diagramm erkennbar, läuft in einer Zeit th, der sogenannten Halbwertszeit, unabhängig vom anfänglichen Wasserstand die Hälfte der Wassermenge aus.

Im ersten Zeitabschnitt der Dauer th nimmt die Wassermasse m0 auf m0/2 ab. Am Ende des darauf folgenden Zeitabschnitts der gleicher Dauer hat der Gefäßinhalt die Masse m = m0·(1/2)·(1/2) und nach der Zeit t = n·th ( n = t/th ) gilt :

m = m0 · (1/2)n = m0 · (1/2)(t/th) = m0 · 2 - (t/th)

Eine Exponentialfunktion beschreibt das Ausfließen des Wassers .

Der exponentielle  Abfall eines Wasserspiegels in einem Gefäß mit textilem Boden kann auch mit „Mathe.-Physik“ experimentell überprüft werden (anklicken!).

Spricht dieser Befund für FR ~ v ?

Kann das Ergebnis unter der Voraussetzung FR ~ v hergeleitet werden?


Es gilt: m · g - FR = m· a → FR = m· a + m · g

Da die die Beschleunigung a des Wassers im Vergleich zu g vernachlässigbar klein ist, können wir schreiben: FR = m · g

m ist die Masse des im Gefäß befindlichen Wassers. Δm (Δm <0) steht für die Änderung dieser Masse in einem kleinen Zeitabschnitt Δt. Sind z.B. 10g ausgeflossen dann gilt: Δm = Massenach ΔtMasse vor Δt = - 10g .

- Δm ist somit die Masse des Wassers, die in diesem kurzen Zeitabschnitt Δt ausfließt.

Aus der Annahme v ~ FR folgt unter Berücksichtigung -Δm/Δt ~ v:

-Δm/Δt ~ FR; FR = m· g → -Δ m ~ m· g·Δt → (- Δm / m )/Δt = Konstante = k

Δm = mnach Δt - mvor Δt = - k · mvor Δt· Δt → m nach Δt = mvor Δt - k·m vor Δt·Δt

mnach Δt = mvor Δt·(1- k·Δt )


Zur Simulation dieses Vorgangs wird in das Rechenfenster des hier vorhandenen Online-Grafikprogramms folgende Zeile eingetragen: y=y*(1-k*h); x=x+h;. y steht für die Masse, x für die Zeit t und h für Δt. Für h wird 0,01 (0,01 s ), für k der Wert 0,2 (0,2 s-1 ) und für den Anfangswert von y der Wert 200 (200g) eingetragen. Danach entsteht ein Diagramm, wie es in der Abb. 3 zu sehen ist.

Abb. 3

Sehr deutlich ist zu erkennen, dass die Halbwertszeit unabhängig von der anfangs vorhandenen Wassermenge ist. Nach 3,45 s sind 100g ausgelaufen, nach weiteren 3,45 s sind nur noch 50 g im Gefäß. Die Behauptung FR ~ v ist somit bestätigt.

Wie hängt die Halbwertszeit th von der Konstanten k ab ?

Mit größer werdendem k erfolgt die Entleerung schneller. Vermutlich sind th und k umgekehrt proportional. Erzeugt man das Diagramm mit verschiedenen Werten k , dann ist erkennbar, dass die Vermutung zutrifft. In jedem Fall hat th · k den Wert 0,692.

m = m0·2 t/th; th = 0,69 / k m = m0·2(1/0,69) ·k·t m = m0·[2 (1/0,69)] k·t

Zur Vereinfachung dieses Terms wählen wir 21/0,69 =2,73 als Basis und benennen diese mit dem Buchstaben e. So können wir schreiben :

m = m0 · ek·t



e als Grenzwert von [a/(a-1)]a

Der oben angegebene Gleichung für die Entleerung soll nun hergeleitet werden.

m1 = m0 ·(1- k·Δt ) ist die Masse, die von der Anfangsmasse m0 nach dem ersten Zeitabschnitt übrig ist. Für die Masse m2 nach dem zweiten Zeitabschnitt gilt entsprechend: m2 = m1 ·(1- k·Δt ).

m2 = m1 ·(1- k·Δt ); m1 = m0 ·(1- k·Δt ) → m2 = m0 ·(1- k·Δt )2

Die Masse mn am Ende eines aus n Zeitabschnitten gebildeten Zeitraums der Größe t kann somit errechnet werden nach:

mn = m0·(1- Δt ·k)n = m0·(1- Δt ·k)t/ Δt = mt ; t/ Δt = n

Bei der Herleitung wurden sehr kleine Zeitabschnitt Δt vorausgesetzt, in denen sich die Änderung von m nicht nennenswert auf die Fließgeschwindigkeit auswirkt. Der durch die stetige Änderung der Fließgeschwindigkeit bedingte Fehler strebt mit kleiner werdendem Δt gegen 0.

Da eine Gleichung der Form mt = m0 · ek·t hergeleitet werden soll, wird m0·(1- Δt ·k)t/ Δt zu m0·{(1-Δt ·k)- 1 / (k·Δt} k·t umgeformt.

1/( Δt ·k) nennen wir a.

mt = m0·{(1-1/a)- a} k·t = m0·{[(a-1)/a]- a} k·t = m0·{[(a/(a-1)]a} k·t

Bei kleiner werdendem Δt wird a größer. [a/(a-1)] a strebt erwartungsgemäß mit zunehmendem a gegen einen Wert bei 2,73 ( siehe nachfolgende Tabelle).

Abb. 4

Angesichts dieser Tatsache erscheint es sinnvoll, e als Grenzwert von [a/(a-1)]a zu definieren.

e = lim [a/(a-1)]a (a →∞)

Unter der Voraussetzung a-1 = n gilt: [a/(a-1)]a = [(n +1)/n](n-1) = (1+1/n)n ·(1+1/n)

lim [a/(a-1)]a (a →∞) = lim (1+1/n)n ·(1+1/n) (n →∞) = lim (1+1/n)n · lim (1+1/n) = lim (1+1/n)n · 1



Hier ist noch Folgendes anzumerken:

(- Δm / m )/Δt = Konstante = k → Δm /Δt = k ·m

Unter Berücksichtigung von m = m0 · e – k·t folgt: Δm /Δt = k · m0 · e – k·t

Wenn man es sehr genau nimmt, dann müsste das Gleichheitszeichen in der letzten Gleichung durch „≈“ ersetzt werden, denn dass Gleichheitszeichen ist nur für lim Δm /Δt ( Δt →0) = dm/dt erlaubt.

dm /dt = k · m0 · e – k·t

Wir sehen: Den Differentialquotient von einer Funktion A· eb·t erhält man, indem man die Funktion mit b multipliziert.