3.3.4 Drähte als Elemente zur elektrischen Messung von Temperaturen und Kräften

Der elektrische Widerstand R leitender Materialien ist von der Temperatur, dem Leiterquerschnitt und der Leiterlänge abhängig. Dies kann zur elektrischen Temperatur- und  Kraftmessung genutzt werden. Abb. 1 zeigt eine zur Temperaturmessung passende  Anordnung. Die hier sichtbare Anordnung aus 4 Leitern mit bestimmten Widerstandswerten und einem Messgerät heißt in der Fachsprache Wheatstonebrücke.

Abb. 1

Wir sehen links in der Abb. 1 vier Drahtwicklungen 1, 2, 3 und 4 mit gleichen Widerstandswerten R. Die von P1 nach P3  fließenden Elektronen nehmen je zur Hälfte die Wege 4;3 und 1;2 . Da kein Weg bevorzugt wird, schlägt das   angedeutete sehr empfindliche Amperemeter nicht aus. Das Messgerät zeigt aber dann  einen Strom an, wenn der Leiter 2 mit einer Flamme erwärmt wird.


Erklärung hierfür:

Der Widerstand des Leiters 2 nimmt zu.  Ein Teil der durch 1 fließenden Elektronen zieht den Leiter 3 wegen seines geringeren Widerstandes dem Leiter 2 vor und nimmt den Weg über das Messgerät (Amperemeter). Da der Ausschlag des Messgeräts mit steigender Temperatur zunimmt, kann das Amperemeter zur Temperaturmessung kalibriert werden  ( zu den Ausschlägen werden die zugehörenden Temperaturänderungen geschrieben). Es ist nicht ganz einfach, 4 Leiter mit gleichem Widerstandswerten für eine solche Anordnung zu finden bzw. herzustellen. Zur Vermeidung solcher Schwierigkeiten werden  die beiden Drahtwicklungen 3 und 4 durch einen einzigen Draht D mit hohem Widerstand ersetzt (siehe  Abb. 1 rechts). Der Anschluss P4   des Messgeräts am Draht D ist als Schleifkontakt ausgebildet. Er kann so verschoben werden, dass kein Strom durch das Messgerät fließt. Dies ist dann der Fall wenn folgende Bedingung erfüllt ist:


R1 / R2 = R4 / R3

R3 und R4 sind die Widerstände der Leiterabschnitte mit den Längen L3 und L4.

R4 / R3 = L4 / L3

Die Widerstände der Drähte verhalten sich wie die Drahtlängen zueinander.

doppelte Drahtlänge   →   doppelter Widerstand usw..


Erklärung hierfür:

Wenn das Amperemeter keinen  Strom anzeigt, dann ist die Spannung  zwischen P2 und P4 gleich 0. Hieraus folgt, dass die Spannungen über den Leitern 1 und 4 gleich sind. Zur Begründung dieser Behauptung muss daran erinnert werden, dass die Spannung zwischen zwei Punkten gleich der Arbeit ist, welche das elektrische Feld verrichtet, wenn +1 Coulomb von einem Punkt zum anderen verschoben wird. Diese Verschiebearbeit ist nur vom Anfangs- und Endpunkt des Verschiebewegs und nicht von seinem Verlauf abhängig. +1 Coulomb wird  gedanklich in zwei Schritten von P2 nach P4  verschoben: Zunächst wird die Ladung von P2 nach P1 gebracht (siehe Abb. 2), wobei das elektrischen Feld die Arbeit W verrichtet. Hiernach erfolgt der Transport von  P1 nach P4  mit einer Arbeit W’ gegen das elektrische Feld.  W’ gleicht der Arbeit des Feldes bei einer Verschiebung von P4 nach P1. Da die gesamte Arbeit gleich Null ist folgt: W = W’

Abb. 2

Die Spannung  UR1 zwischen den Enden von R1 gleicht der Spannung UR4 zwischen den Enden von R4. Gleiches gilt auch für R2 und R3.  UR2 = UR3

Nach dem Ohmschen Gesetz  U/I = R kann geschrieben werden:

UR1 =  IR1 · R1 ;     UR2  =  IR2 · R2  =  IR1 · R2       (IR2 = IR1 !)   

UR3 = IR3 · R3 ;       UR4  =  IR4 · R4  =   IR3 · R4      (IR4 = IR3 !)   

R1 und R2 werden wie R3 und R4 vom gleichen Strom durchflossen .

UR1 = UR4 ;    UR2 = UR3   →    IR1 · R1  = IR3 · R4 ;    IR1 · R2 =  IR3 · R3

Verhältnis der linken Gleichungsterme = Verhältnis der rechten Gleichungsterme

IR1 · R1  / IR1 · R2  = IR3 · R4 / IR3 · R3      →       R1  /  R2  =  R4 /  R3



Der elektrische Widerstand eines Drahtes nimmt nicht nur bei Erwärmung sondern auch bei einer Dehnung zu. In Abb. 3 ist eine Anordnung zu sehen, in der ein durchhängender Draht aus Konstantan anstelle der Leiterwicklung 2 eingesetzt ist. Wird dieser Draht mit einem Gewicht G belastet, dann schlägt der Zeiger des Messinstruments aus. Diese Anordnung kann zur Kraftmessung kalibriert werden. Konstantan wird für  Kraftmessungen genommen, weil sein Widerstand kaum temperaturabhängig ist. Wäre dies nicht der Fall, dann würden durch Temperaturänderung Kräfte vorgetäuscht. Die Ursache für die Zunahme des elektrischen Widerstands sind die geometrischen Änderungen, die unter Belastung  stattfinden. Der Draht wird länger und dünner. Der Widerstand eines Drahtes nimmt mit seiner Länge zu und mit wachsendem Querschnitt ab.

Abb. 3


Wie ändert sich der Widerstand des Drahtes mit einer Verlängerung  um ΔL? Die Verdopplung der Leiterlänge L bewirkt eine Verdopplung des Widerstands:      R ~ L. Die Halbierung des Leiterquerschnitts A hat ebenfalls eine Verdopplung des Widerstands zur Folge:   R ~ 1/A  

R ~ 1/A ;  R ~ L  →      R~ L/A

R / ( L/A) = R·A/L ist nur vom Leitermaterial abhängig und wird dementsprechend spezifischer Widerstand ρ des Materials genannt.

R·A/L  = ρ    →    R = ρ · L/A

ρ beschreibt den elektrischen Widerstand eines Würfels mit einer Längeneinheit als Kantenlänge. Bei einer Dehnung eines Drahtes der Länge L und des Querschnitts A bleibt dessen Volumen V = A · L konstant.

R = ρ · L/A;  A=V/L  →  R = ρ·L2/ V;    dR/dL = ρ · 2· L/V  = (ρ· L2 / V)· 2/L;    dR/dL = R · 2 / L

Für kleine ΔR und ΔL können wir auch schreiben: ΔR/ΔL = R · 2 / L  →  ΔR/ R = 2 · ΔL/L

Die relative Widerstandsänderung ΔR/ R ist doppelt so groß wie die relative Längenänderung ΔL/L.   Dieses bedeutet beispielsweise, dass bei einer Verlängerung um 1%  der Widerstand um 2 % zunimmt.

Mit Konstantandrähten kann man Kräfte > 0,01 N ohne Schwierigkeiten messen. Eine höhere Messgenauigkeit erreicht man mit Dehnungsmessstreifen. Abb. 4 ist die Abbildung eines Dehnungsmessstreifens. Es handelt sich um ein zwischen zwei Polyamidfolien eingebettetes,  mäanderförmig gewundenes Konstantanbändchen.

Abb. 4

Die Firma Höhne-Messtechnik bietet unter dem Namen Drahtmesswandler eine Leiterplatte an, die neben einer Wheatstonebrücke aus mit einem Konstantandraht noch einen Verstärker für das Messsignal trägt.  Mit diesem  Gerät kann nicht nur die Widerstandszunahme bei Dehnung, sondern auch die Widerstandsabnahme bei Biegung des Drahtes gezeigt werden. Dieser unerwartete Effekt  -er wird bei Behandlung der Parallelschaltung erklärt- tritt besonders deutlich hervor, wenn der Draht mehrfach ohne gleichzeitigen Zug gebogen wird.

Abschließend sei noch angemerkt, dass die  Zunahme des elektrischen Widerstands infolge Erwärmung sehr eindrucksvoll an einer Glühlampe gezeigt werden kann. 

Wie dies geschehen kann, erfahren Sie nach dem dem Anklicken dieser Zeile.


Abb. 6: Sir Charles Wheatstone (1802-1875)

Bedeutender Forscher auf dem Gebiet der elektrischen Messtechnik