Mainecho, Montag, 2. April 2007

 

 

Bloß nicht bewegen: Der frühere Hösbacher Physiklehrer Gerhard Höhne demonstriert seinen Versuch zur Bestätigung des Schwerpunktsatzes.

Foto: Stefan Gregor

 

Mit der Kraft des Herzens

Gerhard Höhnes Schulversuch zur Bestätigung des Schwerpunktsatzes

 

H ö s b a c h (Kreis Aschaffenburg). »Der Schüler kann sich durch die Kraft seines Herzens hin- und her­bewegen«, sagt Gerhard Höhne. »Die­ser einfache Versuch für den Physik­unterricht an der Schule ist aber vor allem eine eindrucksvolle Bestätigung des Schwerpunktsatzes.« Mit dem »einfachen Versuch« nimmt der frü­here Hösbacher Lehrer von heute bis 6. April in Grenoble an den »Europa­meisterschaften der naturwissen­schaftlichen Lehrkräfte« teil.

 

Eingeladen hat ihn »Science on Stage Deutschland e.V.«, ein Verein, der nicht nur seinem Namen nach die »Naturwis­senschaften auf die Bühne« bringt, son­dern auch in der Praxis. So tummeln sich diese Woche in Grenoble knapp 500 Teil­nehmer aus 29 Ländern, die an ihren na­tionalen Ständen dazu beitragen, das Ziel der Veranstaltung umzusetzen.

Es geht darum, gute Unterrichtskon­zepte und Experimente auf unterhaltsame Art zu präsentieren und zu verbrei­ten. Die Lehrer sollen die neuen Er­kenntnisse mit nach Hause nehmen und in ihren eigenen naturwissenschaftlich­technischen Unterricht einbauen (siehe: Hintergrund).

Das soll dazu führen, das Interesse der Schülerinnen und Schüler an den Natur­wissenschaften zu wecken und zu stär­ken. »Aus diesem Grund fördert Science on Stage Deutschland innovative Ideen und Lehrkräfte bei ihrem Vorhaben, mit ungewöhnlichen Konzepten den Unter­richt zu gestalten«, teilt der gemeinnützi­ge Verein mit.

 

Der 69-jährige Diplomphysiker Ger­hard Höhne hat während seiner Zeit als Mathematik- und Physiklehrer am Hös­bacher Hanns-Seidel-Gymnasium schon immer gern physikalische Zusammen­hänge durch einfache Versuche plausibel zu machen versucht.

Sein Experiment über die Kraft des Herzens ist eigentlich ein Versuch zur Demonstration des Schwerpunktsatzes. »Es ist ein fundamentaler Satz der Me­chanik.« Der nämlich besage, dass der Schwerpunkt eines Systems am selben Ort in Ruhe verharre, wenn von außen keine Kräfte einwirken.

 

Schuss aus dem Gewehr

 

Das wäre zu demonstrieren: Höhne legt sich auf ein Brett, das auf zwei Rollen ruht. Jetzt heißt es: bloß nicht bewegen. Das einzige, was sich noch rührt, ist das Herz. Höhne hält die Luft an. Das Herz pumpt das Blut in den Kreislauf. »Es ist, als ob eine Kanone eine Blutwelle ab­schießt.« Das hat Rückwirkungen auf den Körper: Er bewegt sich gegen die Strömungsrichtung des Bluts. Immer wieder, so oft das Herz schlägt. Das Brett nimmt die millimeterkleine Bewegung auf, gibt sie über einen Magnet an eine Transformatorspule weiter. Ein elektrisches Sig­nal überträgt die Bewegung auf einen Rechner und macht sie auf einem Bild­schirm sichtbar - als Ballistokardiogramm, eine fortlaufend wiederkehrende Kurve.

Und was hat das mit dem Schwer­punktsatz zu tun? »Das Experiment soll einen physikalischen Vorgang verdeutli­chen«, sagt Höhne. »Es ist ein Beleg da­für, dass auch in diesem Fall der Schwer­punktsatz gilt.« Zur Erinnerung: Von au­ßen wirken keine Kräfte ein, dennoch be­wegt sich der Körper im Rhythmus des Herzschlags. Der Schwerpunkt bleibt, wo er ist. Auf demselben Effekt beruht der Rückstoß eines Gewehrs, wenn aus der Waffe ein Schuss abgefeuert wird.

»In der Schule hatten wir das Brett frü­her an vier Punkten an der Decke aufge­hängt. Es hing direkt über dem Lehrer­pult im Physikraum«, erinnert sich Höh­ne. In zahlreichen Vorträgen bei Lehrer­veranstaltungen hat er den Versuch be­schrieben. »Inzwischen weiß ich von ei­nem halben Dutzend Schulen in Bayern, die den Versuch in ihren Physikunter­richt aufgenommen haben.«

Ob er damit auch bei der Jury in Gre­noble punkten kann, wird sich weisen. Bei den Schülern hat er jedenfalls nach­haltigen Eindruck hinterlassen. »Auch wenn sie alles andere vergessen haben -an diesen Versuch erinnern sie sich im­mer.«

 

Manfred Röllinghoff

 

 

Hintergrund

Science on Stage

 

Der gemeinnützige Verein Science on Stage Deutschland (SonSD) ist 2003 aus dem deutschen Organisa­tionskomitee der europäischen Ini­tiative »Physics on Stage« hervorge­gangen. Gefördert wird der Verein, der keine öffentlichen Gelder erhält, vom Arbeitgeberverband Gesamt­metall. Er unterhält für den Verein eine Geschäftsstelle in Berlin, über die der Verein alle nationalen und europäischen Aktivitäten abwickeln kann. So knüpft er für Lehrerinnen und Lehrer der Naturwissenschaf­ten ein Netzwerk, über das sich die Pädagogen austauschen können.

Über Workshops und Fortbildungs-veranstaltungen werden spannende Experimente und Unter­richtskonzepte in ganz Deutschland verbreitet. Lehrer mit besonders in­teressanten Projekten lädt Science on Stage zum internationalen Bil­dungsfestival »Science on Stage« ein, das diesmal vom 2. bis 6. April in Grenoble stattfindet.

Daran beteiligen sich Lehrer aus 29 Ländern Europas. Ausgewählt wurden sie in ihren Heimatländern von nationalen Organisationskomi­tees, die darüber hinaus jedoch, an­ders als in Deutschland, keine wei­teren Aktivitäten zu Fortbildung und Wissensaustausch entwickeln.

Deutschland wird von 39 Lehrern vertreten, die eine Jury von Science on Stage ausgewählt hat. Veranstal­ter des Festivals ist das EIRO-Forum, ein Netzwerk der sieben größ­ten multinationalen Forschungsein­richtungen in Europa, darunter die europäische Organisation für Kern­forschung CERN, die Europäische Weltraumorganisation ESA und die Europäische Südsternwarte ESO.

Die besten Versuche, Experimen­te und Konzepte werden vom EIRO-Forum mit dem »Science Teaching Award« ausgezeichnet. Der erste Preis ist mit einer Prämie von 3000 Euro verbunden. Vor zwei Jahren landete ein deutsches Projekt auf Platz vier. Die Geldpreise fließen an die Schulen, für die die Lehrer an­gereist sind, und helfen dort bei der Realisierung von Projekten.

Neben dem Hösbacher Gerhard Höhne sind in Grenoble auch dabei Thomas Wilhelm vom Lehrstuhl für Didaktik der Physik der Universität Würzburg und der Biologielehrer Frank Orlik vom Friedrich-Koenig-Gymnasium Würzburg.

 m.r.

 

Anmerkung :

1985 habe ich zu dem oben beschriebenen, in der Medizin bekannten Phänomen ein  passendes Schulexperiment entwickelt und dieses 1988  in der Praxis der Naturwissenschaften (PdN-Ph. 5/37. Jahrgang 1988)  beschrieben. Mittlerweile wird dieses Experiment in vielen Schulen und Schülerforschungseinrichtungen (Schülerforschungszentrum Bad Saulgau, www.sfz-bw.de) durchgeführt,  auch ein Preis im Schülerwettbewerb „Jugend forscht (Biologie)“ wurde mit ihm erzielt. Während der Science on Stage-Vorführungen in Grenoble zeigten die dort wirkenden europäischen Lehrer sehr viel Interesse an diesem Experiment.

Gerhard Höhne