1.1
Potenzen mit reellen Exponenten
Aufgabe:
Wir stellen uns vor, auf einem Nährboden für Bakterien seien zu einem Zeitpunkt t = 0 etwa 100 Bakterien, die sich uneingeschränkt vermehren können. Es soll untersucht werden, wie sich diese Bakterien mit zunehmender Zeit t vermehren. Bei dieser Untersuchung kann davon ausgegangen werden, dass der Zuwachs Δn der Bakterienzahl n in einem kleinen Zeitabschnitt Δt proportional zur augenblicklich vorhandenen Zahl n der Bakterien und zur Dauer Δt des Zeitabschnitts ist.
Δn ~ n; Δn ~ Δt → Δn ~ n · Δt → Δn/(Δt ·n ) = Konstante = k → Δn = k · n · Δt
Somit gilt für die Bakterienzahl n' nach Δt: n' = n + k ·n · Δt
Die Entwicklung der Bakterien bis zur Zahl 1000 wird mit dem folgenden Programm beschrieben:
|n|k|h|t|=|100|0.2|0.01|0|: h steht für Δt
Wiederhole bis n>1000
_t;n
n = n + k*n*h
t = t + h
zurück
Mit der Zeile „|n|k|h|t|=|100|0.2|0.01|0|“ ( zuerst doppelt anklicken !) werden die Anfangsbedingungen festgelegt. t steht für die Zeit, die im Programm schrittweise um h = Δt vergrößert wird. Für die Proportionalitätskonstante k und die Dauer h =Δt eines kleinen Zeitabschnitts werden willkürlich die Wert 0,2 und 0,01 gewählt. Die Stunde gilt als Zeiteinheit.
Das Programm wird mit einem Doppelklick auf „Wiederhole bis “ gestartet. Mit _t; n ( 2. Programmzeile) werden Punkte mit den Koordinaten t und n gesetzt und verbunden. In der dritten Zeile steht auf der linken Seite die Bakterienzahl n = n’ nach einem Zeitabschnitt der Dauer h = Δt und auf der rechten Seite die Bakterienzahl n am Anfang von h. In der 4. Programmzeile wird die Zeit t nach h berechnet
Nach Eingabe von „29“ (siehe unten) und „START“ kann das Programm ausgeführt werden.
Es entsteht dann Diagramm in der Abb. 1.
Abb. 1 Abb. 2
Das oben angegebenen Programm beschreibt mit h = Δt < 0 auch die Entwicklung der Bakterien vor dem willkürlich gesetzten Zeitnullpunkt. So kann man erfahren, wie viele Bakterien zum Zeitpunkt – 1 Stunde ( eine Stunde vor dem Zeitnullpunkt) oder zum Zeitpunkt – 2 Stunden existiert haben. Wird z.B. für h der Wert -0,01 festgelegt, dann bestimmt das Programm im 1. Schritt die Zahl der Bakterien zum Zeitpunkt –h und im 2. Schritt die zum Zeitpunkt – 2·h usw.. Mit h = -0,01 wurde das nachfolgende Diagramm in Abb. 2 entwickelt. In der Abb. 3 sehen wir beide Diagramme zusammen.
Abb. 3
An dem Diagramm fällt auf , dass 3,46 Stunden nach jedem beliebigen Zeitpunkt eine Verdopplung der Bakterienmenge stattfindet. Wenn es anfänglich 100 Bakterien sind, dann existieren nach 3,46 Stunden 200 Bakterien und nach weiteren 3,46 Stunden 400 Bakterien. Wenn man vom Koordinatennullpunkt um 3,46 Stunden nach links geht, dann findet man 50 und nach weiteren 3,46 Stunden nur noch 25 Bakterien (siehe Abb. 4).
Abb. 4
In der folgenden Tabelle ist dieser Sachverhalt übersichtlich in einer Tabelle zusammengefasst. T ist die Verdopplungszeit = 3,46 h.
t |
t/T |
n |
0 h 3,46 h 2 · 3,46 h 3· 3,46 h 4· 3,46 h - 3,46 h -2· 3,46 h |
0 1 2 3 4 -1 -2 |
1· 100 2 ·100 2·2·100 2·2·2·100 2·2·2·2·100 ½ · 100 ½ · ½ · 100 |
Für Produkte wie 2·2·2 , 2 ·2 und 2·2·2·2 ist die Schreibweisen 23 bzw. 22 bzw. 24 üblich.
Ein Term der Form ba heißt Potenz von b, die Grundzahl b wird Basis und die Hochzahl a wird Exponent genannt.
Angesichts des in der Tabelle erkennbaren Sachverhalts ist man geneigt, das Bakterienwachstum durch n = 100 · 2t/T darzustellen. Dies wird man jedoch zunächst nur dann zulassen, wenn die Exponenten natürliche Zahlen sind. Zur Behebung dieser Einschränkung auf natürliche Zahlen soll nun eine Erweiterung des Potenzbegriffs versucht werden, so dass eine Beschreibung des Bakterienwachstums mit n = 100 · 2t/T auch dann als erlaubt gilt, wenn t/T keine natürliche Zahl ist.
1. Definition für ganzahlige negative Exponenten und den Exponent 0
Nach n = 100 · 2t/T erhalten wir für t = 0 den Wert n = 100 · 20. Da anfangs 100 Bakterien vorhanden sind, muss 20 als 1 definiert werden. Nach n = 100 · 2t/T finden wir für die Zeiten –T und – 2· T die Werte n = 100 · 2-1 und n = 100 · 2-2. Diese Angaben können wir nur dann als sinnvoll anerkennen, wenn wir 2-1 als 1/2 und 2-2 als 1/ 22 definieren.
Wir vereinbaren deshalb: a0 = 1; a-n = 1/ an
2. Definition für Stammbrüche als Exponenten
Eine Definition anhand des Diagramms in Abb. 3 scheint unmöglich. Vielleicht finden wir beim Umgang mit Potenzen Eigenschaften, die eine sinnvolle Definition ermöglichen. Beim Multiplizieren, Dividieren und Potenzieren von Potenzen mit ganzzahligen Exponenten stößt man auf die folgenden Gesetzmäßigkeiten:
1. an · am = a m + n ; Beispiel: a2· a3 = a · a · a · a · a = a5
2. an / am = a n- m ; Beispiel: a4 / a6 = 1/a2 = a –2 = a4 - 6
3. (an)m = an · m ; Beispiel: (a3)2 = (a · a · a) · (a · a · a) = a6 = a3 · 2
4. (a · b)n = an · bn
5. (a / b)n = an / bn
Von Potenzen mit Bruchexponenten fordern wir, dass auch sie die genannten Gesetzmäßigkeiten erfüllen. a1/2 · a1/2 sollte demnach gleich a1/2+1/2 = a1 = a sein. Dies Forderung kann erfüllt werden: a1/2 · a1/2 = a →
Wie soll a1/3 definiert werden ?
Es soll gelten: a1/3 · a1/3 · a1/3 = a1/3+1/3+1/3 = a.
a1/3 ist demnach eine positive Zahl, die dreimal mit sich multipliziert a ergibt.
Wir schreiben für a1/3 = ( dritte Wurzel aus a).
Beispiele:
Wie soll a1/4 definiert werden ?
Wir erwarten: a1/4 · a1/4 · a1/4 · a1/4 = a1/4+1/4+1/4+1/4 = a → a1/4 = ( vierte Wurzel aus a)
Beispiele:
Wir definieren:
Es besteht die Hoffnung, dass die so definierten Potenzen zur Beschreibung des Bakterienwachstums geeignet sind. Nach der Gleichung n = 100 · 2t/T gibt es zur Zeit t = T/2 n = 100 · 21/2 = 100 · ≈ 141 Bakterien. Zu unserer Zufriedenheit kann dieser Wert am Diagramm in Abb. 5 (Ausschnitt aus dem Diagramm in Abb. 3) abgelesen werden.
Abb. 5
3. Definition einer Potenz mit einem beliebig gewählten Bruchexponenten
Wie soll a2/3 definiert werden ?
Es soll gelten: a1/3 · a1/3 = a2/3 →
Wir definieren:
Es liegt nun nahe, die Gleichung n = 100·2t/T erneut auf ihre Gültigkeit zu prüfen. Für t/T = 7/3 erhält man nach der obigen Definition den Wert 504, eine Bakterienzahl, die zum Diagramm in der Abb. 3 passt. Da die Prüfung an einem einzigen Wert etwas unzureichend erscheint, soll nun noch der vom Wachstumsprogramm erzeugte Graph mit dem von f(t)=100*2^(t/3.46) verglichen werden.
Dies geschieht nach Eingabe von „29“ und „START“. Zuerst wird das Wachstumsprogramm gestartet und dann die Zeile mit f(t)=100*2^(t/3.46) doppelt angeklickt.
Die rote Programmkurve wird von einer blauen Kurve zu f(t) = 100 * 2^(t/3.46) überdeckt.
Es muss noch angemerkt werden, dass die Potenzgesetze nach der Definition für Bruchexponenten ihre Gültigkeit uneingeschränkt behalten. Außerdem muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass eine Potenz ihren Wert nicht ändert, wenn der Bruchexponent erweitert bzw. gekürzt wird.
Die letzte Angabe ist keineswegs selbstverständlich, sie muss bewiesen werden.
Beweis:
Es wird erst die linke und dann die rechte Seite der letzten Gleichung mit k · n potenziert. Wenn die Behauptung richtig ist, dann müssen beide Ergebnisse übereinstimmen. Nach dem 3. Potenzgesetz gilt:
↓
4. Definition für irrationale Exponenten
An einem Beispiel wird gezeigt, wie bei irrationalen Exponenten vorzugehen ist. Wir wissen, dass die irrationale Zahl durch die folgende Intervallschachtelung erfasst wird:
Dieser Intervallschachtelung können wir die nun folgende Intervallschachtelung zuordnen:
Wir stellen uns die Intervallschachtelung auf einer Zahlengeraden vor. Sie erfasst einen Einschnitt auf der Zahlengeraden, den wir als bezeichnen.
Nach Eingabe von „30“ und „START“ kann die hier angedeutete Intervallschachtelung ausgeführt werden.
Es ist noch darauf hinzuweisen, dass die Definition einer Potenz mit Bruchexponent auf positive Grundzahlen beschränkt werden muss. Diese Einschränkung wird verständlich, wenn man bedenkt, dass Wurzeln der Form (n = gerade) nicht aus negativen Zahlen gezogen werden können, so ist z.B. in der Menge der reellen Zahlen die Quadratwurzel aus – 2 nicht definiert.